Führung braucht SichtbarkeitEs gibt Sätze, die wir im Coaching öfter hören. Einer davon ist mir kürzlich wieder begegnet:

„Die große Bühne, das Auftreten vor vielen Menschen, Reden schwingen: Nein, das ist nichts für mich. Ich fühle mich nicht wohl, wenn ich so agieren muss.“

Die meisten Positionen verlangen mit zunehmender Seniorität und entsprechender Verantwortung auch mehr öffentliche Präsenz. Das gilt ohnehin im Sinne von Agieren und Positionieren in Meetings, Runden und Versammlungen. Mitunter auch mit Vorträgen vor öffentlichem Publikum oder mit Stellungnahmen – und das nicht immer vorbereitet, sondern manchmal auch ad-hoc. Und last but not least mit Präsentationen auf internen und externen Bühnen. Jede dieser Situationen schließt die Selbstpräsentation mit ein, die Darstellung vor anderen, ein Sich-Zeigen im besten Sinne. Für viele bedeutet das eine große Herausforderung, manchmal schier unüberwindbar. Und das selbst dann, wenn der inhaltliche Teil auf hohem Niveau sehr gut beherrscht wird. Nicht selten sind es Menschen, die eine besonders hohe Kompetenz auf einem Feld haben, etwas besonders gut können und deswegen als Experten gelten, die gleichzeitig Schwierigkeiten haben oder sich scheuen, ihre Themen öffentlich vorzustellen und zu vertreten.

In meiner Coachingpraxis erlebe ich häufig, dass dahinter Glaubenssätze liegen, die nichts mit dem Inhalt oder der Aufgabe an sich zu tun haben, dafür viel mit allzu menschlichen  Themen, manchmal aus ganz anderem Kontext oder auch aus einer lange zurückliegenden  Vergangenheit. Oft geht es um Themen, die heute keine Gültigkeit mehr haben sollten (schon in der Schule mochte man nicht an die Tafel nach vorne gehen; eine schief gelaufene Präsentation am Anfang der Karriere). Und mitunter liegt hinter den Ängsten auch ein nicht dienliches Selbstbild, indem dieser Art der Selbstvermarktung oder Präsentation vor anderen per se eine negative Bedeutung zugeschrieben wird: Es kommt einem aufgeblasen, gekünstelt, übertrieben oder auch einfach unangemessen oder unbescheiden vor.

Für diese Themen ist Coaching prädestiniert, da der Ansatz über zwei Richtungen geht: einerseits über das kognitive Herantasten, was die Hintergründe sein könnten. Und andererseits über das Ausprobieren, Üben und Verfestigen durch emotionales Erleben. Über die Verbindung von rationaler Einsicht und emotionalem Erspüren, können solche alten Muster überwunden werden. Wir nennen diese Phänomene gerne Präsenzhemmer. Präsenzhemmer können sich  im schlimmsten Fall zu Karrierebremsen oder gar Stoppern auswachsen, wenn sie nicht aufgespürt und angegangen werden.

Hier können wir viel von anderen Disziplinen lernen, insbesondere vom Theater und den dort eingesetzten Techniken, sich auf eine Rolle einzulassen. Nicht gemeint ist, wir sollten in unseren Rollen im Job schauspielern.  Dennoch: Als Führungskraft stehen Sie täglich auf Ihrer Bühne und meist haben Sie nicht einmal die Chance, vorher zu proben oder verschiedene Wege des Darstellens einzustudieren.

Wir bezeichnen diese Fähigkeit, gut und angemessen in der Rolle zu agieren, als Rollenkompetenz. In unserem Modell zur Präsenz trägt die Rollenkompetenz maßgeblich dazu bei, ob Sie Ihre PS auf die Straße bringen können. Lesen Sie mehr dazu in meinem neuen Buch „Führen mit Präsenz“.