Gepetzt wird auf dem Spielplatz, nicht im Büro -

Es gibt Sätze, die wir im Coaching öfter hören. Einer davon kam mir kürzlich wieder unter:

„Ich bin doch keine Petze.“

Mein Klient hatte mir gerade davon berichtet, wie sehr er sich darüber ärgert, dass ein Kollege weder in Zeit noch in Qualität die vorbereitenden Aufgaben erledigt und zuliefert, die er selbst und sein Team brauchen, um gut voranzukommen. Auf meine Frage, was er denn schon unternommen habe, berichtet mein Klient von diversen Gesprächen mit dem Kollegen, die nicht gefruchtet haben oder in jüngster Vergangenheit sogar zu einem brüsken Gesprächsabbruch geführt haben. Die Eskalation zum gemeinsamen Chef jedoch scheute er, denn er „will ja nicht petzen“ und „ist doch loyal zu Kollegen“.

In unserer arbeitsteiligen Geschäftswelt sind wir immer darauf angewiesen, dass andere uns etwas zuliefern. Und zwar so, dass wir selbst gut damit arbeiten können. Natürlich haben wir alle unsere Präferenzen und eigenen Vorstellungen, wie etwas auszusehen hat, gerade wenn wir anspruchsvolle Jobs haben. Und über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten. Wenn allerdings essentielle Aspekte in der Zuarbeit fehlen, ohne die ich meine eigene Arbeit nicht gut erledigen kann, sprechen wir nicht mehr über Geschmacksfragen, sondern über Performance und adäquate Qualität. Und wenn dann ein kollegiales Gespräch alleine nicht fruchtet, braucht es die Eskalation, um etwas bewegen zu können.

Klar, es kann sein, dass das nicht angenehm ist für den Kollegen. Und gleichzeitig kommt fehlendes Feedback oft auch unterlassener Hilfeleistung gleich. Denn eine schwache Performance einzelner wird sich irgendwann negativ bemerkbar machen, sei es über Beschwerden, nachlassende Umsätze, abwandernde Kunden oder ähnliches, was sicher nicht im Gesamtinteresse der Organisation liegt.

Eine solche Eskalation anzustoßen ist mitnichten das, was auf dem Spielplatz als Petzen bezeichnet wird. Es wird niemand verpfiffen, es findet auch kein Blame Game statt, sondern es wird aufmerksam auf einen Fehler im Prozess gemacht, um Schlimmeres zu verhindern, um größeren Schaden zu vermeiden. Das ist der Hintergrund, und der ist mehr als legitim. Und hier wird auch keine Loyalität verletzt.

Übrigens: In manchen Fällen haben sich Kollegen hinterher auch schon bedankt für Hartnäckigkeit und Dranbleiben, denn meist ist der Hintergrund kein Unwillen, sondern ein Nicht-besser-wissen oder Nicht-besser-können.