Es gibt SKritik ohne Giftstachel -ätze, die wir im Coaching öfter hören. Einer davon ist uns kürzlich wieder begegnet:

„Ich versuche natürlich, Kritik immer sachlich aufzunehmen. Auch wenn mich manchmal die sofortige Gegenrede reizt…“

Der Umgang mit Kritik ist bisweilen eine wahrhaft bittere Pille. Trotz aller Aufgeklärtheit zum Thema sitzen Bemerkungen von anderen manchmal treffsicher wie ein Giftstachel und bleiben als Schatten, selbst wenn wir danach wieder viel Positives hören. Gerade wenn diese Kritik von Vorgesetzten oder Menschen kommt, die wir als Vorbild achten, kann es schwierig werden.

Wenn wir gelobt werden, spüren wir oft, welche starke Körperreaktionen das auslösen kann.  Das kann sich durchaus wie ein Rausch anfühlen. Eigentlich sollten wir solche Momente auskosten, gedanklich konservieren und ein akribisch geführtes Habenkonto anlegen. Denn es ist menschlich, dass diese Positivbekundungen sich lange nicht so festsetzen und einhaken wie die negativen Feedbacks. Und besonders mühsam wird es, wenn wir schon während der Kritik merken, wie wir am liebsten eine flammende Gegenrede halten würden und wie in unserem Inneren gerade ein mittelprächtiger Sturm tobt. Dabei kennen wir doch alle die goldenen Feedbackregeln: Nimm es an, sag erstmal nichts, lass es wirken, prüfe was dran ist, leg es nicht auf die goldene Waagschale, etc. Und wir wissen alle, dass Feedback auch etwas mit dem Feedbackgeber zu tun hat.

Zum Glück gibt es die Impulskontrolle, die dafür sorgt, dass wir nicht direkt reaktiv handeln müssen. Es kommt ein Reiz, wir sind aber mit ein wenig Übung in der Lage, auf die sofortige Reaktion zu verzichten. In der Theorie ist dieses Konzept sehr überzeugend. In der Praxis und gerade im beruflichen Alltag ist es bisweilen schwierig und mühsam, da Kritik immer auch unseren inneren Kern adressiert und manchmal unglaublich schnell in die Mitte unserer Selbstzweifel oder eigenen Themen trifft. So können uns dann selbst kleinste Dosen an falsch verstandener Kritik negativ beeinflussen, an sich intakte Beziehungen zu anderen stören und innerlich wie tröpfchenweise verabreichtes Gift wirken.

Was kann man tun, um sich zu wappnen vor dieser Art Gift? Wie so oft gilt es, auf bestehende Fähigkeiten zurückzugreifen, die bei allen vorhanden sind, normalerweise unbewusst eingesetzt werden, uns manchmal aber auch abhandenkommen. Unser Angebot in diesem Kontext ist Mehrperspektivität: die Situation nicht nur aus einer, der eigenen Perspektive sehen, sondern jeden weiteren Blickwinkel einbeziehen. Das tun wir täglich, wenn wir zum Beispiel über die Bedürfnisse unserer Kunden nachdenken. Fragen Sie sich: Was könnte Ihr Gegenüber noch gemeint haben oder ausdrücken wollen? Was könnte ein unbeteiligter Dritter dazu denken?

Wenn Sie es schaffen, sich das Prinzip der Mehrperspektivität in Momenten unangenehmer Kritik anzueignen, werden Sie wesentlich besser damit umgehen können. Wer die Botschaft des eigenen Vorgesetzten, von Kollegen oder auch dem Lebenspartner aus mehreren Blickwinkeln zu beurteilen weiß, wird selbst weniger bittere Pillen schlucken müssen und vor allem angemessener, versöhnlicher reagieren können.

Dies ist gleichzeitig eine hervorragende Übung in die andere Richtung: Denn auch wenn wir selbst Situationen oder Verhalten von anderen innerlich aburteilen, ist Mehrperspektivität hilfreich.

Christian Morgenstern sagte einst: Es gibt Menschen, die sich immer angegriffen wähnen, wenn jemand eine Meinung ausspricht.