Perfektionisten machen gerne Drama -

Diese Menschen kennen wir alle, sei es in der beruflichen oder der privaten Welt: Da kommt ein Anruf, eine Mail oder eine unerwartete Situation und es hört sich für das Umfeld so an, als würde gleich mindestens die Welt untergehen oder doch zumindest etwas ganz wirklich Schlimmes passieren. Und Sie selbst schauen hin und denken sich: Ist doch gar nichts passiert! Wo ist das Problem? Da muss man doch nicht wirklich so ein Aufheben machen …

Vielleicht sind wir nachsichtig und rollen nur die Augen, wenn ein solches Verhalten bei der eigenen Schwester oder dem kleinen Bruder festzustellen ist. Wenn allerdings Ihr/e Vorgesetzte/r oder auch Ihr/e Mitarbeiter/in zu dieser Kategorie Mensch gehört, kann es richtig unangenehm werden. Gerade wenn Menschen mit dieser Begabung für Drama an die Spitze eines Unternehmens kommen, kann dies eine ganze Organisation wuschig machen.

Wie kann es eigentlich dazu kommen? Unsere Businesswelt heute, speziell auch unsere Kommunikationswege über Social Media, sind ein perfekter Nährboden für Menschen, die eine überhöhte Lust oder gar eine Sucht nach Anerkennung haben. Die Anzahl der Likes, das Tracken welche Posts wie performen, Selfies in jeder Lebenslage – für viele ist das heute die Währung, die zählt.

Eine Führungsposition – und je weiter oben desto mehr – bietet einen hervorragenden Rahmen für alle, die gerne im Mittelpunkt stehen, die die Aufmerksamkeit genießen und vielleicht sogar brauchen, um sich selbst gut zu fühlen. Perfektionisten zum Beispiel haben eine sehr gute Voraussetzung, um es weit zu bringen. Sie entwickeln sich in der Berufswelt häufig zu Workaholics, die nicht selten auch noch narzisstisch veranlagt sind oder dazu tendieren, zwanghaft zu agieren, zum Beispiel alles tun, um ein Ziel zu erreichen. Und oft entwickelt sich im Business dabei auch ein dramatischer Stil. Denn dies steigert nochmal die Aufmerksamkeit und kann dazu führen, dass andere eben mehr zuhören.

Psychologisch gesehen handelt es sich bei einem dramatischen Persönlichkeitsstil um Gefühlsmenschen, die schnell ihre Stimmungen wechseln, die oft spontan und impulsiv sind, übrigens meist auch gewinnend und charmant sind und viel Wert auf auffälliges Äußeres legen. Im Kern steckt dahinter ein Thema mit dem Selbstwert. Die klinische Ausprägung ist eine histrionische Persönlichkeitsstörung. Die Betroffenen brauchen die Bühne, den Mittelpunkt, die Aufmerksamkeit, um sich zu spüren und letztlich auch, um eine Depression zu vermeiden.

Oft finden sich im Leben der Betroffenen und insbesondere in den zwischenmenschlichen Beziehungen viel Chaos, Unordnung und Unklarheiten, die aus unerfüllten Lebensträumen, enttäuschten Hoffnungen und extrem hohen Erwartungen, meist eben auch an sich selbst, herrühren. Und häufig spüren diese Menschen viel inneren Druck und sind sehr verletzlich. Auch weil sie dazu tendieren, Beziehungen zu anderen als enger einzuschätzen, als sie es sind. Dadurch werden sie immer wieder enttäuscht.

Wie kann man nun damit umgehen, wenn Sie solchen Persönlichkeiten im nahen beruflichen Umfeld begegnen? Das oberste Ziel sollte für Sie sein, sich nicht „anstecken“ zu lassen, und gleich vorweg gesagt: das ist schwer, gerade wenn es sich um Chef/in handelt. Denn Narzissten und Menschen mit dramatischem Stil brauchen Sicherheit und Anerkennung und reagieren bisweilen unbeherrscht, wenn sich dies nicht vollzieht. Eine zweite Regel lautet: Für sich selbst klarhaben, was man will und keinesfalls selbst sofort reagieren, sondern bei ungerechtfertigten Ausbrüchen oder übertriebenen Ansinnen abwarten und abwägen, bis es wieder „bessere Momente“ gibt. Und als dritte Regel: Wenn Sie bei Vorgesetzten diese Themen erkennen, tun Sie gut daran, sich kommunikativ und taktisch darauf einzustellen. Eine gute Zusammenarbeit wird nämlich nur dann gelingen, wenn Sie ein Stück weit die Themen des anderen bedienen, das heißt bei Perfektionisten sehr gut leisten, bei Narzissten Anerkennung gewähren (damit meine ich nicht, Lobhudelei betreiben, aber anerkennen, was meist eben auch gut läuft) und bei dramatischen Menschen die eigene Rolle gestalten (vielleicht in einigen Situationen mitspielen oder auch mal abbremsen, aber niemals nur abwiegeln).

Und falls dies alles für Sie zu anstrengend oder gar unmöglich wird, gilt die alte Regel: love it, change it or leave. Denn manchmal bietet das „leave it“  wunderbare neue Chancen, die man nutzen kann…