Plädoyer für das Momentum -Es gibt Sätze, die wir im Coaching öfter hören. Einer davon ist mir kürzlich wieder begegnet:

 

„Da warte ich jetzt einfach nochmal ab…“

 

Bei diesem Satz dränge ich gerne auf eine zügige Entscheidung oder möchte wenigstens klare Kriterien hören, von denen die Entscheidung abhängt. Denn häufig ist Abwarten der Anfang einer unguten Gesamtentwicklung. Leider sind die meisten Entscheidungen, die wir zu treffen haben, nicht per se „schwarz oder weiß“, „gut oder schlecht“, „richtig oder falsch“, sondern eher von der Sorte „Pest oder Cholera“ – zum Beispiel, weil ich entweder einen wichtigen Wert A oder einen anderen Wert B verletzen muss – ein typisches Dilemma. Oder ich enttäusche mit deiner Entscheidung den einen oder die andere Kolleg/in oder Mitarbeiter/in. Ohne Schmerzen geht es beim Entscheiden leider oft nicht.

 

Entscheiden wird in Organisationen tatsächlich bewusst oft nicht als wirkliche Entscheidung gelebt. Aus „Entscheiden“ wird manchmal Vertagen („Das sollten wir im xy-Meeting nochmal besprechen.“), Aussitzen („Lass uns mal die Entscheidung zum xy-Gesetz/ die Bundestagswahl/ xy abwarten.“), Aufschieben („Da geht es sowieso erst nach der Sommerpause weiter…“), Analysen beauftragen („Da sollten wir zunächst genauere Zahlen erheben.“), Berater einschalten („Das geben wir als Projekt an die y-Beratung.“), Kleinreden („Das spielt hier wirklich keine Rolle.“), Verharmlosen („Das fällt keinem Kunden auf, das wird sich nicht auf unseren Umsatz auswirken“), Warten auf andere Umstände oder Rahmenbedingungen oder ganz einfach: ein Spiel auf Zeit.

 

Bei anderen erkennen wir solche Vermeidungsstrategien meist auf Anhieb und sehr gut. Interessant ist es, sein eigenes Entscheidungsverhalten unter die Lupe zu nehmen und zu wissen: Wovor scheue ich eigentlich hier gerade zurück? Was genau macht mich bei diesem Thema unsicher oder auch ärgerlich oder lähmt mich gerade? Denn genau hier bietet sich ein wichtiger Schritt in der eigenen Entwicklung an. Dazu ist es nötig, diese Punkte zu erkennen, an denen ich stocke. Wenn ich zum Beispiel immer wieder zögere, mit einem Mitarbeiter, der „an der Reihe“ wäre mit Beförderung, in das Gespräch dazu einzusteigen. Oder wenn die Entscheidung für die Auswahl eines Dienstleisters getroffen werden muss, aber ein „komisches Bauchgefühl“ Sie zögern lässt. Oder wenn Sie bemerken, dass alle in Ihrer Runde von etwas begeistert sind, nur Sie nicht. Hier zeigt sich Entscheidungsverhalten.

 

Entscheiden ist ein interessantes Wort, denn es heißt: ent-scheiden, hat also etwas mit trennen, sich von etwas scheiden zu tun. Auch damit, Alternativen zu verwerfen. Oder  wenn die Entscheidung „Machen oder nicht machen“ heißt,  alles auf eine Karte zu setzen. Ohne Rückhalt. Das ist auch ein Abschied, nämlich der Abschied von der Sicherheit.

 

Ein tröstlicher Gedanke als Entscheidungshilfe könnte sein, dass Entscheidung immer ein Momentum hat. Das Momentum kann lauten: „Es ist noch nicht soweit“ oder auch „Für den jetzigen Zeitpunkt und unseren derzeitigen Wissensstand ist es die richtige Entscheidung. Wir werden es im angemessenen Zeitrahmen wieder überprüfen.“ Nur wenige Entscheidungen im Leben sind nämlich wirklich für die Ewigkeit.