Zuhören? Kann doch jeder ... -Es gibt Sätze, die wir im Coaching öfter hören. Einer davon ist mir kürzlich wieder begegnet:

 „Natürlich höre ich meinen Mitarbeitern/ Kollegen/ Vorgesetzten immer zu…“

„Den meisten Menschen fällt es viel leichter, nicht zuzuhören als nicht zu reden.“ Diese zeitlose Äußerung des österreichischen Dichters Ernst Ferstl wäre heute in vielen Management-Seminaren ein guter Einstieg, denn gerade Führungskräfte neigen dazu, in ihrem Sendungs- und Effizienzdenken die Botschaften ihrer Mitarbeiter zu überhören.

Wenn zwei Menschen in ein Gespräch miteinander gehen, entsteht nicht immer automatisch ein Dialog. Es können durchaus zwei Monologe geführt werden, die den Anschein eines aktiven Austauschs vermitteln können. Denn tatsächlich wird auf unterschiedlichen Frequenzen kommuniziert, oft einfach nur gesendet, nicht empfangen und erst recht nicht verarbeitet. Der Grund dafür: Es wird nicht zugehört. Und häufig wird das nicht einmal bemerkt, denn das Wichtigste ist ja getan: die eigene Botschaft wurde schnell und effizient weitergegeben. Damit hat man seine Schuldigkeit getan, frei nach dem Motto: „Ich habe es ihm/ihr doch gesagt“, unabhängig davon, ob und was der andere verstanden hat.

Die Folge sind eigentlich vermeidbare Missverständnisse, ärgerliche Fehler, Demotivation oder gar innere Verweigerung. Die Kompetenz “Aktiv Zuhören“ gehört zu den wichtigsten Eigenschaften einer Führungskraft, vielleicht ist es sogar die Wichtigste. Leider konzentrieren sich viele zu sehr und ausschließlich auf die aktive Rolle im Dialog. Wir wollen möglichst eloquent sprechen, die richtigen rhetorischen Elemente einbringen, unseren Charme und unser Charisma durch unsere Worte transportieren, um unser Gegenüber zu beeindrucken und zu beeinflussen. Zuhören erscheint in diesem Kontext als etwas allzu Simples, das keiner großen Anstrengung bedarf und von alleine passiert. Das ist jedoch nicht der Fall. Wir hören viel zu oft nur das, was wir hören wollen oder befürchten zu hören. Das erschwert nicht nur den Dialog, sondern oft genug auch die nachfolgenden Aktivitäten.

Mit meinen Klienten mache ich bisweilen eine Übung, die „Thinking Partnership“ heißt. Es geht darum, seinem Gegenüber eine bestimmte Zeit, zum Beispiel zehn Minuten, einfach nur zuzuhören und durch ein einfaches, zwischendurch eingestreutes „Was noch?“ in eine Vertiefung der Gedanken zu bringen, ohne Antwort, sonstige Fragen oder Kommentare. Versuchen Sie das ruhig einmal, vielleicht mit einem/r Freund/in, Kolleg/in oder Ihrer/m Partner/in. Es wird die Qualität Ihres Gespräches deutlich erhöhen.

Aktives Zuhören braucht und fördert Empathie. Schon unsere Körperhaltung und der Blickkontakt verraten anderen viel über unsere Aufnahmebereitschaft in einem Gespräch. Aufmerksamkeit und Fokus sind die Voraussetzungen für einen gelingenden Dialog. Verschieben Sie lieber ein wichtiges Gespräch, wenn Sie nicht genug Zeit oder Energie dafür haben, denn Sie werden diese Botschaft mitsenden. Üben Sie sich immer wieder im aktiven Zuhören, denn es kommt definitiv nicht von alleine und kann doch so viele Missverständnisse vermeiden. Wie oft erhalten Sie eine Botschaft und ohne darauf einzugehen, berichten Sie stattdessen eigene Erlebnisse zum Thema? Rufen Sie sich immer in Erinnerung, dass wirklich jeder Mensch verstanden und gehört werden möchte, und zwar ganz egal auf welcher Hierarchieebene und in welchem Kontakt Sie stehen! Zuhören ist der Schlüssel zu mehr Wirkung und Wirksamkeit.